Die Gemengelage ist kompliziert. Bislang stehen die Sicherheit im Rahmen einer reinen Gefahrenabwehr und die Leichtigkeit des Verkehrs, in der Praxis defacto des Autoverkehrs, gleichwertig nebeneinander und müssen gegeneinander abgewogen werden. Um die weiteren Ziele – Städtebauliche Entwicklung, Klima- und Umweltschutz, Gesundheitsschutz und nicht zuletzt die Vision Zero – angemessen berücksichtigen zu können, müssten die neuen Ziele eigentlich der Leichtigkeit gleichgestellt werden, während die Verkehrssicherheit weiter an erster Stelle steht.
Es erscheint aber angesichts der politischen Lage schier unmöglich, Sicherheit und Leichtigkeit unterschiedlich zu gewichten, weil sich dazu die Verteidiger des Status Quo bislang nicht durchringen können. Sie befürchten, dass bei einer ideologiefreien Berücksichtigung aller Mobilitätformen der schnelle Autoverkehr nicht mehr der alleinige Maßstab ist. Im Entwurf der Bundesregierung mussten daher Verkehrssicherheit und Leichtigkeit nur noch „berücksichtigt“ werden, eine wesentlich schwächere Formulierung als im Bestand.
Einigen Ländern reicht jedoch die bloße Berücksichtigung der Verkehrssicherheit nicht aus. Sie wünschen sich weiterhin deren herausgehobene Rolle. Dieses Dilemma lässt sich nur auflösen, wenn man die Verkehrssicherheit priorisiert, aber die Leichtigkeit zusammen mit den neuen Zielen betrachtet. Es wird spannend, ob der Vermittlungsausschuss dieses Problem lösen kann, um das Straßenverkehrsgesetz aus dem Gründungsjahr des weltweit wichtigsten Fußballvereins 1909 ins Hier und Jetzt zu holen.