In den Nachrichten wurde Twitter immer mal wieder erwähnt. Politiker veröffentlichten noch während der Auszählung die Ergebnisse der Bundesversammlung, Barack Obama nutzt Twitter nicht nur im Wahlkampf. Immer öfter werde ich gefragt, was denn eigentlich dieses “Twitter” sei. Hier kommt der Versuch einer Erklärung.
Heute sind Weblogs oder kurz Blogs sehr bekannt. Ein Blog ist eine Website, die aus vielen Artikeln (“Posts”) besteht. Es beinhaltet Posts von einem oder mehreren Autoren in der Regel in umgekehrt chronologischer Reihenfolge. Man kann hier Texte, Bilder, Links usw. in jeden Artikel aufnehmen. Twitter ist im Grunde nichts anderes. Allerdings beschränkt sich Twitter auf das absolute Minimum. Jeder Post, bei Twitter ein “Tweet” genannt, kann aus maximal 140 Zeichen bestehen. Links sind möglich, aber keine Bilder etc. Will man ein Bild anfügen, muss man dies woanders (Flickr, TwitPic, eigene Website etc.) hochladen und dem Tweet einen Link auf das Bild beifügen. Daher spricht man hier auch von einem Micro-Blog. Twitter verhält sich zu Blog im Grunde wie SMS zu Email.
Abonnement über RSS-Feeds
Jedes Blog, naja fast jedes, kann man über einen RSS-Feed abonnieren. Das heißt, man kann über ein standardisiertes, völlig herstellerunabhängiges Dateiformat die Daten eines Blogs in einem Programm der eigenen Wahl lesen. Das geht zum Beispiel mit dem Internet Explorer, Microsoft Outlook, Firefox, der mobilen Website mobilerss.net, vielen Handys, diversen speziellen RSS-Readern usw. Dabei ist es ebenso egal, wo der Blogger seine Texte verfasst und speichert. Die Quelle kann also bei Google Blogger (wie bei mir), WordPress, Joomla usw. sein. Man kann die jeweilige Weboberfläche nutzen oder ein Programm wie Windows Live Writer nutzen. Die Standardisierung macht es möglich.
Abonnement innerhalb von Twitter
Auch Twitter erlaubt ein Abo per RSS. Das nutzen aber hier die wenigsten Menschen. Da alle Twitter Microblogs auf einer einzigen Plattform laufen und bis auf ein bisschen Design (Hintergrundbild, Farben) komplett identisch sind, war es Twitter möglich, hier eine direktes Abonnement innerhalb der eigenen Plattform zu ermöglichen. Wenn ich die Tweets von drei Freunden abonniere, dann sehe ich die Tweets von mir und von meinen Freunden – weiterhin in umgekehrt chronologischer Reihenfolge in meiner Twitter “Timeline”. Ich bekomme also mit, was meine Freunde schreiben.
Anwendungen für Twitter für PC, Mac und Handy
Da die Twitter-Plattform offen ist für andere Entwickler, gibt es unzählige Anwendungen, mit denen man twittern, also Tweets lesen und schreiben, kann. Beispiele sind Tweetie für iPhone und Mac OS, PockeTwit für Windows Mobile usw. Die jeweiligen Links geben auch einen guten visuellen Eindruck, während ich hier nur einen “kastrierten” Screenshot mit einem einzigen Tweet abbilde:
Diese Anwendungen muss man aber nicht benutzen, denn Twitter kann man auch vollständig aus dem Webbrowser oder über eine gut gemachte mobile Website vom Handy aus bedienen. Und wenn ich nur die Tweets eines Menschen lesen will und selber nie etwas schreiben, dann nutze ich eben nur mal die Twitter-Seite dieser Person (zum Beispiel http://twitter.com/ChrischmiDE/). Gerade die Wahlfreiheit zwischen den Web-Anwendungen des Plattformbetreibers und Anwendungen von Drittanbietern machen Twitter stark.
SMS und Twitter
Über eine SMS an die deutsche Handynummer +49 176 888 50505 kann man die SMS als Tweet veröffentlichen. Dazu wird die eigene Handynummer zuvor in den Twitter-Einstellungen hinterlegt. Die Grenze für SMS sind ja eigentlich 160 Zeichen bzw. durch Verkettung mehrere Nachrichten sogar wesentlich mehr. Bei einer SMS an Twitter sollte man sich aber natürlich an die 140-Zeichen-Grenze von Twitter halten.
In den USA ist es darüber hinaus möglich, Tweets per SMS zu abonnieren. Ich glaube aber nicht, dass mir diese Funktion in Deutschland wirklich fehlt.
Nachrichten an andere
Will man jemanden eine Nachricht zukommen lassen, dann beginnt man den Tweet ganz einfach mit dessen Benutzernamen und einem vorangestellten “@”. Bei mir wäre das zum Beispiel “@ChrischmiDE Text”. Twitter und alle Anwendungen wandeln diesen Namen automatisch in einen Link auf den Benutzer um und signalisieren durch eine entsprechende Hervorhebung oder auf andere Weise, dass man hier angesprochen wurde. Aber Achtung: Die Nachricht erscheint ganz normal wie alle anderen Nachrichten öffentlich auf der eigenen Twitter-Seite.
Erwähnt man dagegen einen anderen Twitter-Benutzer mitten im Tweet, verwendet man anstelle seines echten Namens einfach seinen Benutzernamen mitten im Text. Ein “Happy Birthyday @ChrischmiDE! Bringe Dir morgen Dein Geschenk vorbei!” würde mich zum Beispiel Ende März sehr freuen, Heiratsanträge per Twitter finde ich dagegen eher unangebracht. ;-)
Will man eine private Nachricht verschicken, nutzt man hier die Funktion Direct Message. Diese wird in einer Art persönlichem Postkorb zugestellt und in der Regel zusätzlich per Mail an den Benutzer übermittelt. Eine Direct Message erstellt man, indem man den Tweet mit einem großen “D” und dem Benutzernamen beginnt, bei mir also “D @ChrischmiDE Text”.
Zitate in Twitter
Wenn man einen Tweet eines anderen Benutzers so gut findet, dass man ihn selbst auch nochmal twittern möchte, dann verwendet mal anstelle des “D” ein “RT” für “Retweet”. Optional kann man dann vor dem RT einen Kommentar loswerden, zum Beispiel, um den Ursprungsautor ein Feedback zu geben. Das sieht dann zum Beispiel so aus: “Das wünsche ich Dir auch! RT @ChrischmiDE wünscht ein frohes neues Jahr 2010!”. Ende 2009 hat Twitter auf der Website eine eigene Retweet-Funktion eingebaut, die allerdings von den meisten Clients noch nicht unterstützt wird.
Tags in Twitter
Die Twitter Community hat irgendwann damit begonnen, Tweets zu katalogisieren. Dies wird mit Hilfe von sogenannten Tags gemacht. Das entspricht den Tags bzw. Labels in Weblogs. Ein Tag in Twitter beginnt immer mit der Raute (Nummernzeichen, Hash, Gartenzaun, für die Badener: ‘s Derle) gefolgt von dem Tag-Namen. Ein Tweet mit einem “#BVB” würde so zum Beispiel bedeuten, dass es in diesem Tweet um den besten Fußballclub der Welt geht. Dabei ist es egal, an welcher Stelle der Tag steht, üblich ist aber eher das Ende des Tweets. Twitter wandelt diese Tags automatisch in einen Link auf die Twitter-Suche um.
Sinn der Tags ist es, alles zu einem Thema mitbekommen zu können. Daher ist es zum Beispiel auf Konferenzen oder anderen Großveranstaltungen üblich geworden, einen mehr oder minder verbindlichen Tag festzulegen. Hört man einen Vortrag auf der Microsoft TechEd Europe in Berlin und alle verwenden durchgehend den Tag “#TEE09“, dann kann jeder mit einfachsten Mitteln alle anderen Meinungen und Kommentare (auch die von ihm völlig unbekannten Menschen) zu dem Vortrag lesen, indem er lediglich nach “#TEE09” sucht.
Links in Twitter
Damit man nicht zu viel Platz in den 140 Zeichen verschwendet für Links, werden diese oft durch spezielle Linkverkürzer, wie zum Beispiel tinyurl.com oder bit.ly ersetzt. Aus https://chrischmi.de/blog/2009/11/artikel-in-der-it-mittelstand-112009.html wird so http://tinyurl.com/yec49y3 oder http://bit.ly/1z7kbj. Während tinyurl.com auch eigene Alias-Namen wie http://tinyurl.com/mit-11-2009 zulässt, kann man bei bit.ly mit dem Hinzufügen eines “+” am Ende eine Statistik zum Link abrufen (Beispiel: http://bit.ly/1z7kbj). Einige Twitter-Clients verkürzen die URLs sogar automatisch für den Benutzer.
Integration mit anderen Plattformen
Aufgrund der Popularität von Twitter, gibt es inzwischen Schnittstellen zu den wesentlichen Online-Netzwerken. Dies bedeutet, dass alle Tweets auf den anderen Plattformen erscheinen und im Gegenzug die Status-Updates aus diesen Netzwerken wiederum bei Twitter als Tweets veröffentlicht werden. Man schreibt also eine einzige Kurznachricht und verbreitet sie auf alle Plattformen. Der Autor hat nur einmal den Aufwand des Schreibens, aber jeder Leser kann den Tweet auf seiner bevorzugten Plattform lesen. Hier ein paar Beispiele:
Tweet auf meiner Facebook-Pinnwand
Facebook veröffentlicht alle Twitter-Stati. In der Neuigkeiten-Liste erkennt man die Einträge nicht als Tweet, aber auf dem jeweiligen Profil des Benutzers kann man dies erkennen. Die Integration erfolgt hier über eine Facebook-Applikation, die man über eine Suche nach Twitter in Facebook findet. Eine genauere Erläuterung Schritt für Schritt gibt es zum Beispiel hier.
Tweet in meinem LinkedIN-Profil
LinkedIn erlaubt die Filterung auf Tweets mit dem Tag #in. Alternativ kann man alle Tweets veröffentlichen. Die Konfiguration erfolgt in den Einstellungen von LinkedIn, wie in deren Blog beschrieben wird.
Tweet im Buschfunk von StudiVZ (funktioniert ebenso im MeinVZ und SchülerVZ)
Die VZ-Netzwerke veröffentlichen alle Tweets im Buschfunk und erlauben optional die Übernahme der VZ-Stati in Twitter. Die Konfiguration erfolgt in den Optionen des jeweiligen VZs.
Tweets in meinem XING-Profil
XING veröffentlicht nur Tweets mit dem Tag #xng. So kann man filtern, was auf der Business-Plattform erscheinen soll und was nicht. Die Synchronisation erfolgt über Xwitter, einer neuen XING-Applikation, die sich momentan in der Beta-Phase befindet.
Tweets über RSS-Feed auf Windows Live Spaces
Windows Live Spaces hat keine direkte Twitter-Integration, aber durch die Nutzung des RSS-Feeds von Twitter gelingt auch hier die Verknüpfung.
Tweets auf der eigenen Website oder in der Sidebar des Weblogs
Diverse Anbieter, unter anderem Twitter selbst, bieten für Weblogs die Möglichkeit, ein Twitter-Modul einzufügen. In Blogs auf “new” blogger.com oder WordPress zum Beispiel bindet man Twitter mit wenigen Klicks ein. Auf anderen Plattformen oder normalen Websites kann man ein vorgefertigtes JavaScript (“Twitter-Badge”) zur Einbindung zum Beispiel in der Sidebar verwenden. Dies habe ich in einem der letzten Posts in diesem Blog bereits beschrieben.
Nutzung von Twitter
Soweit zum Umgang mit Twitter. Bleibt die Frage: Worüber twittert man und wozu? Dies ist für jeden Benutzer sehr unterschiedlich. Firmen twittern über Neuigkeiten im Unternehmen, viele Menschen informieren ihre Freunde mit einem Tweet inkl. Link auf ein Foto über witzige oder absurde Situationen aus Ihrem Leben, andere weisen auf gute Artikel in diversen News-Plattformen hin, verlinken auf eigene Blog-Posts oder machen eine 140-Zeichen-Kurzkritik jedes gelesenen Buchs. Ich finde es immer wieder toll, wie viel ich von entfernt lebenden, aber twitternden Freunden mitbekomme. Ebenso lese ich immer wieder gern unseren Outside Minister Westerwave.
In anderen Ländern hat Twitter eine viel elementarere Bedeutung. Durch die offene Programmierschnittstelle kann Twitter von den verschiedensten Websites genutzt werden. Daher ist es totalitären Regierungen nicht möglich, Twitter vollständig zu sperren. Die Kommunikation in der Opposition in Ländern wie dem Iran oder China erfolgt heute zu einem großen Teil über Blogs und eben Twitter.
Ich selbst wollte Twitter ursprünglichen einzig zu einem Zweck nutzen: Mein Ziel war dynamischer Inhalt in der Sidebar meines Blogs. Nach kurzer Zeit wurde ich dann allerdings vom Twitter-Virus befallen. 1-2 Tweets pro Tag sind es im Schnitt bei mir, aber da ich die meist mal zwischendrin oder vom Handy erstelle, geht so gut wie keine Zeit dafür drauf.
Und nein, ich nutze die Plattformen oben nicht alle aktiv. Aber wenn man sich beruflich mit unternehmensinternen Produktivitätslösungen auseinandersetzt, dann kann es nicht schaden, sich mit den Möglichkeiten des “Web 2.0” zu beschäftigen. XING ist für mich nach wie vor mindestens ein extrem praktisches (weil selbstpflegendes) Adressbuch, aber auf den anderen Systemen bin ich dann doch eher ein passiver Benutzer.
Womit verdient Twitter Geld?
Die Frage nach dem Geschäftsmodell hat Twitter noch nicht für sich beantwortet. Über kurz oder lang werden wir uns aber wohl an Werbung auf twitter.com gewöhnen müssen, wie in allen anderen Online-Netzwerken auch.
Fazit
Mit Twitter verhält es sich unterm Strich wie mit dem Fahrradfahren oder Fliegen: Letztendlich muss man sich darauf einfach mal einlassen und es testen. Ohne eigene Erfahrung wird es einem immer suspekt bleiben.
PS: Die meisten Screenshots oben habe ich etwas zugeschnitten bzw. über Montagen zusammengebaut, damit das jeweils in einem möglichst kleinen Bild richtig “rüber” kommt.
Twitter hat ein Erlösmodell: Die verkaufen Suchergebnisse an Google und Bing. Die Tweets tauchen mittlerweile immer häufiger in den Suchergebnissen auf.